Hilfe zur Selbsthilfe bei Hausaufgaben

Liebe Eltern,

Ihr Kind ist von der Grundschule an unsere Schule gewechselt und hat sich hoffentlich gut eingewöhnt. Dieser Informationsbrief soll Ihnen Anregungen zum Umgang mit Hausaufgaben geben im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe. Diese Informationen sind besonders interessant für Eltern unserer FünftklässlerInnen, vielleicht aber auch für Eltern von Kindern, die schon länger an unserer Schule sind.

Eine Schwierigkeit, die sich nicht selten im Laufe der ersten Monate zeigt, ist der Umgang mit Hausaufgaben.

Blockaden bei Hausaufgaben haben manchmal keine fachlichen Ursachen oder solche, die allgemein mit mangelnder Motivation zu tun haben, sondern Wurzeln in persönlichen Problemen des Kindes. Wie können Sie darauf eingehen?


Wenn es gar nicht um das fachliche Problem geht …

Manchmal wären Kinder fachlich durchaus in der Lage, eine Aufgabe zu lösen. Sie sind jedoch gefühlsmäßig blockiert: Vielleicht haben sie Probleme mit Mitschülern, oder ein Erlebnis beschäftigt sie. Hier hilft es bereits, wenn Sie sich einfühlsam erkundigen, ob etwas los ist, und sich davon erzählen lassen.

Manchmal verfolgen Kinder mit Ihrem Ruf nach Hilfe bei Hausaufgaben oder beim Lernen auch das Ziel, die Nähe und Zuwendung eines Elternteils zu gewinnen. Wenn Sie das vermuten, dürfen Sie dieses Bedürfnis nicht einfach zurückweisen. Natürlich darf es nicht zum Dauerzustand werden, dass Ihr Kind die Hausaufgaben „nutzt“, um Ihre Aufmerksamkeit zu erhalten. Aber wer weiß, vielleicht sieht es keinen anderen Weg? Machen Sie Ihrem Kind den Vorschlag: „Probiere es jetzt alleine, denn du kannst es sicher. Nur wenn du an einer Stelle gar nicht mehr weiterweißt, kommst du zu mir. In einer halben Stunde machst du dann Pause und wir ratschen (oder spielen) miteinander.“

Hilfe zur Selbsthilfe bei echten fachlichen Problemen

Die Maßnahmen, die wir jetzt vorstellen, bauen aufeinander auf. Wenn eine zuerst genannte Methode nicht reicht, können Sie einen Schritt weitergehen. Das Ganze ist wie eine Treppe.

Einen Teil der Maßnahmen können Sie ergreifen, selbst wenn Sie von einem Problemfach wenig verstehen. Ein anderer Teil verlangt Fachkenntnisse. Falls Sie merken, dass Sie Ihrem Kind nicht helfen können, sagen Sie es ihm offen, sonst verwirren Sie es unter Umständen noch mehr.

Stufe 1: Ihr Kind soll es erst selbst versuchen!

Geben Sie keine Soforthilfe, wenn Ihr Kind sich mit der Aufgabe noch gar nicht auseinandergesetzt hat. Manche Kinder sind von den Schwierigkeiten in der 5. Klasse so überwältigt, dass sie sich gar nichts mehr zutrauen. Oder sie sind schlichtweg bequem – aber das ist der seltenere Fall. Wie auch immer, es würde dem Kind nicht helfen, wenn Sie schon jetzt eingreifen.

Eine indirekte Hilfe ist hier aber schon sinnvoll: Bringen Sie Ihr Kind dazu, über den Zusammenhang zwischen Hausaufgaben und Unterrichtsstoff nachzudenken und im Schulheft nachzuschlagen. Hausaufgaben beziehen sich ja immer auf den laufenden Unterricht (oder auf die Wiederholung von früheren Stunden). Nicht wenige Kinder kommen leider auf diese naheliegende Selbsthilfemethode nicht.

Stufe 2: Erst klären, worin die Schwierigkeit besteht!

Vor jeder weitergehenden Hilfe muss die Frage beantwortet werden: Was genau beherrscht das Kind nicht? Es hilft nichts, bloß zu vermuten, worin die Probleme bestehen, oder eigene Schulerfahrungen zu übertragen.

Bewährt haben sich folgende Methoden:

Ursachen fachlicher Probleme sind übrigens oft diese Punkte:

Stufe 3: Hilfen bei unverstandener Aufgabenstellung

Stufe 4: Hilfen, wenn die Aufgabenstellung klar, die eigentliche Bearbeitung aber nicht möglich ist

Auch hier gilt zunächst einmal: Regen Sie die „Selbstheilungskräfte“ des Kindes an! Wie oben schon erwähnt hilft es oft, dass das Kind den aktuellen oder frühere Hefteinträge im Schulheft durchdenkt. Auch die Schulbücher sind inzwischen sehr viel besser gestaltet als früher und enthalten Anleitungen, Erklärungen oder Beispielsaufgaben. Schließlich gibt es im Internet nützliche Seiten, oder Sie besorgen – falls die Probleme sich in einem Fach oder Fachgebiet häufen – Übungsbücher.

Oft haben Kinder nur beim ersten Schritt Probleme, dann „fällt der Groschen“. Der erste Schritt – das ist der erste Satz einer Grammatikübung, der erste Teil einer Mathematikaufgabe, die Einleitung bei einem Aufsatz. Hier können Sie direkt helfen, aber nur gelegentlich, denn in Prüfungen muss Ihr Kind auch alleine arbeiten:

Manchmal ist noch mehr Hilfe nötig: Aufgabe schrittweise bearbeiten lassen und nach jedem Schritt die Richtigkeit überprüfen: Die Methode ist vor allem bei längeren Aufgaben sinnvoll, damit sich ein Fehler nicht durch die ganze Arbeit zieht. Loben Sie Ihr Kind bei richtigen Teilergebnissen, um es aufzubauen.

Wenn nötig: Aufhören!

Wenn all das nichts bringt, hilft manchmal eine Pause. In ihr hat man vielleicht sogar eine „Eingebung“, denn das Gehirn arbeitet oft unterbewusst weiter. Manchmal aber ist es besser, ganz aufzuhören. Auch hier gilt: Schreiben Sie eine kurze Notiz ins Heft, damit der Lehrer das Fehlen der Hausaufgabe richtig einordnen kann.

 

Reihenfolge bei Hausaufgaben

Kinder sind beim Hausaufgabenmachen sehr altmodisch und in gewissem Sinne gehorsam – sie lernen, wie sie es bislang gemacht haben, bei Geschwistern abschauen und/oder von Eltern gesagt bekommen. Zum Standardrepertoire gehört, dass sie erst alles Schriftliche erledigen und dann das Mündliche. Dahinter steckt manchmal auch eine auf den ersten Blick durchaus plausible logische Überlegung der Kinder: Das Schriftliche sei wichtiger, weil es kontrolliert werden könne bzw. kontrolliert werde, das Mündliche unwichtiger; außerdem habe man mit dem Schriftlichen das Schwerste hinter sich …

Nun funktionieren Gehirn und Motivation ein bisschen anders:

→ Es ist mithin viel besser, mit einem Fach oder einer Aufgabe zu beginnen, die einem viel Spaß macht oder leichter fällt. Damit läuft man geistig auch warm.

→ Man sollte daher schriftliche und mündliche Aufgaben abwechseln. In der Fremdsprache muss man sie auch aus sachlichen Gründen verbinden: Schriftliche Beherrschung und mündliche Anwendung hängen eng zusammen.

→ Besser ist es also, sich erst den Hefteintrag im Schulheft anzuschauen und zu durchdenken und dann die dazugehörigen Hausaufgaben zu erledigen. So geht Ihr Kind mit einem sicheren, guten Gefühl an das Schriftliche und wiederholt zugleich das Gelernte automatisch.

 

Damit Ihr Kind nicht jeden Nachmittag von neuem die richtige Reihenfolge bestimmen muss, empfiehlt es sich, dass Sie mit ihm einen „Nachmittagsplan“ erstellen, der als Fahrplan dient. Natürlich wird es Tage geben, an denen der Plan über den Haufen geworfen werden muss, aber das dürfte die Ausnahme sein.

 

Hausaufgaben konfliktfrei(er) gestalten: Tipps für eine gute Lernatmosphäre

Bevor Sie dieses Kapitel weiterlesen, bitten wir Sie, sich an Ihre eigene Schulzeit zurückzuerinnern:

Unter welchen Umständen war es angenehm und effektiv, Hausaufgaben zu erledigen?

Ursachen für Hausaufgabenkonflikte liegen nicht nur beim Kind, sondern leider immer wieder auch bei den Eltern. Wenn diese unter Zeitdruck oder unter Belastungen stehen, verdirbt das die Lernatmosphäre. Ein Teufelskreislauf beginnt: Die Unruhe der Erwachsenen überträgt sich auf das Kind, dessen Konzentration leidet. Den Eltern erscheint das Kind noch anstrengender, sie werden noch gereizter – das Kind wird noch unaufmerksamer usw.

Geduld

Ein Patentrezept, um Geduld zu erlernen, gibt es nicht. Die folgenden Fragen können einen aber weiterbringen. Denn manchmal reicht es, die Ursachen der eigenen Ungeduld aufzudecken:

Natürlich können wir hier nicht Wege beschreiben, wie Sie jedes der möglichen Probleme in den Griff bekommen. Nur so viel:

Die richtigen Worte finden, die falschen vermeiden

Sicher kennen Sie Sätze wie: „Stell dich nicht so dumm an!“, „Wann lernst du das endlich?“, „Das ist doch ganz leicht.“

Stellen Sie sich vor, jemand spricht so zu ihnen, wenn Ihnen eine Arbeit nicht gleich gelingt. Sie merken: Diese Aussagen erhöhen den Leistungsdruck und vermitteln Ihnen die Botschaft, Sie seien unfähig. Nebenbei zeigen sie, wie hilflos der ist, der sie von sich gibt.

Selbst wenn der Sprecher es vielleicht gar nicht so gemeint hat, bleibt im Kern beim Gegenüber oft die Aussage hängen: „Du bist dumm.“ Wenn ein Kind solche Aussagen öfters mitbekommt, glaubt es selbst daran und wird in seinen Leistungen noch weiter nachlassen. Vergessen Sie nicht, dass Kinder allem, was die Eltern sagen, besonderes Gewicht zumessen: Eltern sind für Kinder (selbst in der Pubertät) zentrale Leitfiguren. Was Eltern sagen, wird für Kinder zum Orientierungspunkt. Für ein Kind ist die Familie die Welt im Kleinen. Aus den Aussagen der Eltern über das Kind bildet sich dieses seine Meinung von sich selbst. Überlegen Sie einmal, wie viel von Ihrem eigenen Selbstbild aus Sätzen besteht, die Ihnen vielleicht Ihre Eltern gesagt haben, und prüfen Sie, ob diese Sätze denn tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Außerdem wirken Sätze jener Art auf Kinder sehr verletzend.

Schließlich gilt auch, dass Kinder immer ein Spiegel ihrer Eltern sind – ihrer Einstellungen, Verhaltensweisen und Umgangsformen. Wie sich die Eltern ihrem Kind gegenüber verhalten, so verhalten sich diese langfristig gegenüber ihren Eltern.

Hilfreicher sind deshalb vielleicht Sätze der folgenden Art:

Natürlich müssen diese Sätze von Herzen kommen – das heißt, Sie müssen im Inneren Verständnis dafür aufbringen, dass Ihr Kind wie jedes Kind (Lern-) Schwierigkeiten haben darf.

Als gutes Hilfsmittel hat sich die nachmittägliche Hausaufgabenbetreuung (offene Ganztagesschule) bei denjenigen Familien erwiesen, in denen die Konflikte rund um die Hausaufgaben so eskaliert sind, dass das ganze Familienklima durcheinander geriet. Auch Kinder, die einfach das regelmäßige Arbeiten nicht erlernten, können durch einige Monate in der Hausaufgabenbetreuung profitieren. Scheuen Sie sich bitte nicht, diese Einrichtung zu nutzen, unter Umständen auch gegen den Willen Ihres Kindes.

Wir hoffen, Ihnen einige nützliche Hinweise gegeben zu haben, und wünschen Ihnen und Ihrem Kind eine gute Zeit.

 

Mit herzlichen Grüßen

Carolin Herrmann

Beratungslehrkraft Gymnasium Lohr

 

Autor: Alexander Geist, StD, Staatlicher Schulpsychologe, Supervisor (BDP)

© Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage 2016

(gekürzt und angepasst)